Die Parabel von Sissi F.

Predigt zu Mk 12,28-34

Kanzel-segen

Gnade sei mit Euch
und Friede von Gott,
unserm Vater,
und dem Herrn und Bruder Jesus Christus.

G: Amen.

Exordium

Schlank werden ohne zu hungern. Wie oft habe ich diese Schlagzeile schon gelesen. Erst gestern habe ich die Probe aus Exempel gemacht, bin in den nächsten Zeitschriftenladen gegangen und suchte die Titel der einschlägigen Zeitchriften ab. Und siehe da auf dem Titelblatt der Zeitschrift Freundin fand ich den gesuchten Spruch. Schlank werden ohne zu hungern.

Narratio

Und ich bin gewiß die Auflage dieser Zeitschrift wird auf Grund des Titels steigen. Eine Chefredakteurin der Zeitschrift Brigitte hat einmal auf die Frage warum die Zeitschrift denn so regelmäßig Diäten veröffentlicht geantwortet, daß die Erfahrung zeigt, daß jede veröffentlichte und angepriesene Diät schlicht die Auflage steigen läßt. Und da man als Zeitung in diesem hart umkämpften Marktsegments überleben will, müsse man eben regelmäßig Diäten anbieten. Schlank werden ohne zu hungern. Das Ziel ist die Schlankheit, daß süße Versprechen ist, daß es ohne Anstrengung gehe.

Und längst ist dies kein reines Frauenthema mehr. Wäre es das, würde ich mich als Mann hüten darüber in aller Öffentlichkeit zu predigen. Manche von ihnen erinnern sich vielleicht noch an die zwei Männer in der Sauna aus der Fernsehwerbung. Der eine korpulent, schwitzend sitzt er in der Sauna. Züchtig, wie es sich für einen Werbespott im deutschen Fernsehen gehört bedeckt er seine Blöße mit einem Handtuch. Zusammengesunken, leicht nach hinten gelehnt sitzt er da und schwitzt. Dann geht die Tür auf. Ein athleschier wohl proporzionierter Mann betritt den Raum. Locker nimmt er Platz auf den Schwitzbänken. Reckt noch einmal seine Arm. Ein wohltrainierter Bizeps tanzt vor unseren Augen. Neidisch gleitet der Blick des korpulenten am Körper des anderen entlang. "Fitnessstudio?" fragt er. Die coole Antwort des sportlichen: "Nein". "Sport?" die zweite Frage. Schließlich muß er sich doch irgendwo quälen um eine solche Figur zu erlangen. Die coole Antwort. "Nein". Und dann erfahren wir die Auflösung. Ein Schwenk auf das Gesicht des sportiven. Ein Schnitt. Und wir sehen einen Hund, der fröhlich über die Felder springt. Hinter springt sein fröhliches und hübsches Herrchen. Ganz von alleine, beim neckischen Toben mit seinem Hund - so die Botschaft - hat er seine Traumfigur erlangt. Und wem verdankt er all dies. Nun es ist ein Werbespot. Natürlich einem Produkt, dem Hundefutter. Schön sein ohne Anstrengung. Verwenden sie das richtige Hundefutter und ihr athletischer Körper wird die Konkurrenz in der Sauna vor Neid erblassen lassen.

Und wer wollte das nicht. Neidische Blicke anderer Männer und interessierte der Frauen? Und wie verlockend ist die Aussicht dies ohne Anstrengung zu erreichen. Die Wahrheit jedoch ist eine Andere. Das Schönheitsideal, dem wir Männer uns so bereitwillig unterwerfen ist das des Athleten, des Leistungssportlers, der seinem Körper systematisch zur Höchstleistung getrimmt hat. Und dafür hat er nicht nur einige Anstrengungen unternommen, sondern immense Anstrengungen. Seit Jahr und Tag trainiert er hart. Im Leistungssport heißt dies heute fünf bis sechsmal die Woche ca. sechs Stunden zu trainieren. Wer sich mit ihm vergleichen will, wer ihm gleichen will muß sich ähnlichen Anstrengungen unterziehen.

Für Frauen ist die Wahrheit noch brutaler. Die moderne Biologie lehrt uns, daß der weibliche Körper für Notzeiten, vor allem jedoch für die Schwangerschaft Fettpolster anlegt. Bevorzugte Stellen sind die Oberschenkel und der Hintern. Just jene sogenannten Problemzonen die mit allerlei Wundermittel der Werbewelt wie von Geisterhand verschwinden sollen. Diese Fettreserven jedoch greift der weiblichen Körper nur in absoluten Notfällen an. Oftmals wird sogar zuerst die Muskelmasse angegriffen, bevor die Notreserve aufgelöst wird. Die Folge ist, daß die meisten Modells, abgesehen von wenigen genetisch bedingten Ausnahmen, daß die meisten Modells ihr Gewicht und ihre angeblichen Traummaße nur durch Hungern, Hungern und nochmals Hungern erreichen können. Sie führen ständig Krieg mit ihrem Körper, der immer bemüht ist die lebenswichtigen Fettreserven wieder aufzubauen. Manche treibt dieser Krieg in die Magersucht. Gewonnen haben sie ihn dann, wenn der Körper am Ende ist. Wenn sie Tod sind. Nicht wenige Frauen hungern sich zu Tode.

Argumen-tatio

"Das Reich Gottes ist nicht Essen und trinken", sagt Paulus im Römerbrief, "sondern Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geist. Wer nämlich darin Christus dient ist bei Gott angesehen und wird von den Menschen geachtet. Darum laßt uns verfolgen, was dem Frieden dient, und das, was unsere Gemeinschaft untereinander aufbaut."

Paulus kannte keine Supermodels, die die Laufstege der Modewelt bevölkern. Paulus kannte auch keine Hundefutterwerbung. Aber Paulus wußte weniger Wichtiges von Wichtigem zu unterscheiden. Und er entschied es anhand seiner großen Utopie. Der Utopie vom Reich Gottes. Der Idee, daß Menschen miteinander friedlich leben, daß Gemeinschaft statt Konkurrenz, Freude statt Traurigkeit unsere Welt prägen. Eine Utopie? Etwas Fernes für die Zukunft? Nein für Paulus ist das Reich Gottes etwas ganz Reales. Mit dem Kommen von Jesus Christus hat dieses Reich begonnen, mit seiner Wiederkehr wird es vollendet.

Wir stehen dazwischen. Jesus Christus kam vor zweitausend Jahren. Nach der Auferstehung verließ der fleischgewordene Gott mit seinem Körper unsere Welt. Damals versprach er eines Tages wiederzukommen. Wann dies sein wird, jedoch sagte er uns nicht. Nun wir stehen dazwischen, zwischen dem Reich Gottes, daß sich mitten unter uns ereignet und den destruktiven Kräften, die unsere Welt und uns ebenso bestimmen. Da sind auf der einen Seite die Anforderungen nach Erfolg, nach Attraktivität, die Gebote unserer menschlichen, allzumenschlichen Weltordnung. Und ein Narr wer glaubt, daß Aussehen, Sportlichkeit, Schönheit, schlicht daß dem Schönheitsideal entsprechen nichts mit Erfolg zu tun hat. Wer schön ist, tut sich leichter in den Beruf einzusteigen, wer schön ist wird wahrscheinlich auch leichter einen Partner oder eine Partnerin finden. Schön sein ist in unserer Welt wichtig.

Aber ist es das Wichtigste? Ist Schönsein die Garantie für Glück und Erfolg? Wer das Berufsleben kennt, der weiß daß anfänglicher Erfolg nicht von alleine bleibt. Fleiß, Kompetenz und auch Beharrlichkeit sind Tugenden, die langfristig viel wichtiger für den Erfolg sind als die flüchtigen Eindrücke des Aussehens. In Beziehungen ist es ähnlich. Schnell kann der schicke Traummann zum Alptraum werden. Wo Vertrauen, Zuverlässigkeit und Liebe fehlen, nützt der athletischte Körper nichts.

Was ist also das wichtigste? Was ist wirklich wichtig. "Das Reich Gottes ist nicht Essen und trinken", nicht Schönheit und Attraktivität, nicht Hundefutter und beruflicher Erfolg. Das Reich Gottes ist Gerechtigkeit, Friede und Freude. Und das ist wirklich wichtig. Daß wir Gerechtigkeit untereinander walten lassen. Niemanden auf Grund seines Aussehens bevorzugen oder benachteiligen. Wo Gerechtigkeit unter Menschen herrscht, da beginnt das Reich Gottes.

Daß Friede bei uns einkehrt. Frieden werden wir dann haben, wenn wir endlich lernen den anderen zu akzeptieren. So wie er oder sie ist. So fremdartig und in vielem vielleicht anderen Meinung. Aber doch ist der oder die andere ein Kind Gottes. Und wenn wir einander als Kinder Gottes betrachten, so kann der Friede unter uns wachsen.

Friedfertig jedoch sollten wir auch mit uns umgehen. Mit unserem Körper. Gott hat ihn uns gegeben. Unser Körper ist der Tempel des heiligen Geistes. Und gegen einen Tempel führt man keinen Krieg. Laßt uns Frieden mit uns selbst machen. Wenn wir in uns in aller Ruhe vor den Spiegel stellen können und zu uns selbst sagen: Gott hat mich so gewollt, auch mit meinen Schwächen. Dann wächst auch der Friede in uns und das Reich Gottes auf Erden.

Freude. Gott hat nichts gegen Freude. Im Gegenteil. Er schenkt uns diese Welt, er schenkt uns das Essen und das trinken, damit wir uns daran erfreuen. Wenn unsere Freude dann den anderen ansteckt, wenn wir uns gemeinsam freuen, dann blitzt ein Stück der Unbeschwertheit des Reiches Gottes unter uns auf.

Deshalb laßt uns aufeinander achten. Laßt uns verfolgen, was dem Frieden dient, und das, was unsere Gemeinschaft untereinander aufbaut. Denn in unserer Gemeinschaft wird das Reich Gottes Wirklichkeit, als eine Utopie, die doch Realität ist.

 

Peroratio

Lassen sie mich zum Schluß noch die Parabel von Sissi F. erzählen. Sissi F. wanderte durch das Land. Erst war das Land flach, dann wurde es hügelig. Eines Tages schließlich war sie in den Bergen. Am Fuße eines besonders schönen Berges sah sie einen Kiosk. Sie ging näher und in dem Kiosk war ein Männchen. "Ey wo willst Du hin?, fragt sie der Gnom. "Ins gelobte Land, dort wo Milch und Honig fließen, wo die Brathänchen einem zufliegen und die Trauben in den Mund wachsen.", antwortete sie. "Oh das ist ein weiter Weg", antwortete der Mann, "aber ich kann Dir eine Abkürzung nennen. Zuvor jedoch mußt Du mir meine Wäsche waschen." Sissi glaubte ihm, also ging sie zum Bach und schrubbte sich die Hände wund um die Wäsche des Mannes sauber zu bekommen. Als sie wiederkam meinte das Männchen. "Du mußt einfach über den Berg. Dahinter liegt das gelobte Land." Also stellte sie die Wäsche ab und begann den Berg zu besteigen. Doch der Weg war ein einziges Geröllfeld. Und je höher sie kam, desto steiler wurde das Geröll. Plötzlich rutschte sie aus, glitt die Geröllhalde hinunter und war wieder bei dem Kiosk. "Ey Du wirst Werkzeug brauchen", sprach der Gnom. "Wenn Du meinen Kiosk putzt". Also putzte sie. Mit einem Eispickel machte sie sich wieder auf den Weg. Doch oh weh gegen Ende rutschte sie wieder aus und lag wieder neben dem Kiosk. "Ey Du wirst mehr Werkzeug brauchen, wenn Du meine Hemden bügelst, will ich Dir etwas geben." Und so ging es Tag ein Tag aus. Sie putzte, bügelte, wusch und stopfte die Socken. Doch weder die Steigeisen brachten sie auf den Gipfel, noch das Seil, weder die superleichten Kletterschuhe noch die extra bruchfesten Klemmhaken. Immer wieder stürzte sie herab, immer wieder fand sie sich neben dem Kiosk wieder. Als sie schon ganz verzweifelt war, kam eines Tages ein Mann des Weges. Er kam, ging vorbei und stieg einfach auf den Berg. Sissi F. traute ihren Augen nicht. Verzweifelt und voller Neid blickte sie ihm hinterher. Da, er hatte den Gipfel erklommen. Gleich würde er ins gelobte Land entschwinden. Doch was geschah? Der Mann drehte sich um, warf einen langen Blick auf Sissi. F. und sprang dann einfach zurück in das Geröllfeld. Er konnte das Gleichgewicht nicht halten. Er fiel, purzelte durch das Geröll und blieb zwanzig Meter vor Sissi. F. am Boden liegen. "Der ist hin", sagte der Gnom, "geschieht ihm recht." Sissi F. jedoch lief so schnell sie konnte zu dem Mann, hob ihn von Boden auf und nahm ihn in die Arme. Nach einer Weile öffnete der Mann die Augen, sah Sissi F. mit einem langen tiefen Blick an. Stand auf, nahm Sissi F. bei der Hand und führte sie fort. Einfach den Weg am Fuß des Berges weiter. Und plötzlich, ein zwei Wegbiegungen später sah sie es, das gelobte Land.

Kanzelsegen

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.